...Schweigekur,
Kanzlerinnen-Stalking und junge Muttis – das Beste aus
2014!
Liebe
Freunde und Verwandte, über
die Überwachung der NSA können wir nur lächeln.
Wäre ein Mindestmaß an Überwachung im Leben
nicht eher hilfreich, fragen wir uns. So hätten wir zum
Beispiel Gewissheit, ob sich das Kind die Zähne wirklich
gründlich putzt. Oder wie viel Zuckerzeug es auf dem
Schulweg kauft und welche Handyspiele es spielt, während
es den Süßkram weglutscht.
Mitgeschnittene Telefonate, belauschte Wohnräume –
wo ist das Problem? Wie man sich schützen kann, hat Silka
im vergangenen Sommer demonstriert: Sie verzichtete zwei Wochen
lang aufs Telefonieren. Und statt zu sprechen, schrieb sie
auf Papier – so wie man das aus Agentenfilmen kennt.
Ein fingerdicker Stapel Notizzettel zeugt davon. „Du
sollst 2 Min putzen“, schrieb sie für Leander,
als der aus dem Badezimmer schlich. „Das war nicht mal
eine.“ Seine gesprochene Antwort ist nicht überliefert
(möglicherweise aber bei der NSA abgespeichert).
Um
die Aufmerksamkeit anwesender Familienmitglieder auf sich
zu lenken, musste Silka in die Hände klatschen. „Es
wäre doch schön, wenn du nicht so genervt bist“,
richtete Silka schriftlich an Tilman, der wegen der Zettel-Kommunikation
nur noch mit den Augen rollte. „10 Tage nichts sehen
wäre schlimmer. Also immer schön angucken, ja?!“
|
Spätestens jetzt sollte klar sein:
mit einem Vierteljahr Verspätung erreicht euch
hiermit unser jährliches best of Berlin-Weißensee
– als Zeichen, dass es uns noch gibt. Oder als
Angebot, noch mal in Gedanken vorüberziehen zu
lassen, was ihr aus Erzählungen schon wisst –
oder vielleicht nie wissen wolltet.
|
Am
Simon-Dach-Denkmal Klaipeda/Litauen Damit zu den Fakten: Silkas
Zehn-Tages-Kommunikationsprotokoll verdanken wir weniger der
Überwachungsangst, vielmehr einer schweren Kehlkopfentzündung.
Als ihre Stimme wiederkehrte, reisten wir zum Sommerurlaub
ins Baltikum – eine Region, in der die NSA sicher leichtes
Spiel hätte: In den drei EU-Staaten zwischen Tallin und
Vilnius gibt es zwar nur sechs Millionen Menschen, aber flächendeckend
Datennetz. Es genügt, am Straßenrand das iPad rauszuholen,
um über die AirB&B-App das nächste Quartier
zu buchen.
Brüsseler
EU-Milliarden modernisieren hier Tausende Kilometer Straßen
und Kommunikationswege, die Baustellendichte ist hoch. Denn
Europa will die Balten gegen Putins Russland stärken.
Mit dabei: Kanzlerin Merkel. Vor allem Tilman glaubte, an
den Flüssen und Seen der baltischen Nationalparks dem
Berliner Politik-Trubel entrinnen zu können.
Man
kann sich dort gut erholen, auch wenn Berge mit maximal
300 Metern Höhe eher Hügel sind, die tiefste
Höhle nur 19 Meter misst, der höchste Wasserfall
niedriger ist als die Fontäne im Weißen See
vor unserer Berliner Haustür.
Wir
erlebten zauberhafte
Sonnentage am Strand der Kurischen Nehrung –
fünf Kilometer vor Russland. |
|
Silka
liebt die Rote-Beete-Suppe aus dem barocken Vilnius, Leander
schwärmt bis heute von dem StreetBurger-Restaurant in
Rigas Altstadt.
Doch
die Berliner Macht verfolgte uns bis nach Riga. Beim Stadtgang
fiel uns vor dem Rathaus eine Staatskarosse mit schwarz-rot-gelber
Flagge auf. Polizisten in neongrünen Warnwesten hielten
Schaulustige auf Distanz.
Aus
dem Rathaus trat
schließlich, winkend: Merkel. Der Applaus der Umstehenden
fiel schwach aus, weil alle mit den Smartphones knipsten.
Die deutsche Bundeskanzlerin als Partner im Ringen mit Putin
– das wollte sich keiner der Balten entgehen lassen
– zumindest keiner der Nichtrussisch-Stämmigen.
Mit seinem neuen (gebraucht ersteigerten) iPhone fand Leander
die baltischen WLan-Funkspots stets als erster – und
verließ sie als letzter. Der Zwölfjährige
zog Videos, Whatsapp und Handyspiele den meisten baltischen
Sehenswürdigkeiten vor.
Während
die Eltern schon im Rigaer Dom standen, mussten auf
dem Display noch Monster bekämpft oder Whatsapps
beantwortet werden.
Dabei
sind im Kreuzgang des Domes die Schilde, Schwerter,
bronzenen Kanonen und –kugeln in echt zu bewundern,
mit denen sich die virtuellen Krieger in „Clash
of Clans“ gegenseitig niedermetzeln.
|
|
Doch
die Rigaer Jugendstilfassaden haben dann auch Leander so begeistert,
dass er seinen Eltern Vorträge darüber hielt. Die
Bungee-Jumper über dem Wasser der Gauja im lettischen
Sigulda-Nationalpark fanden wir alle toll. Entlang der
Jugendstilfassaden in Riga.
Tabea
verbrachte ihre Sommerreise ein weiteres Mal in Norwegen –
die letzte vor ihrem Studiumsbeginn im Oktober. Das nötige
Geld brachten Komparsen-Jobs, Saxophonauftritte und Babysitten.
Im Frühjahr reiste
sie für die Musikschule zu Konzerten nach Budapest.
Aus Berlins Mitte kommt sie gelegentlich ins elterliche Haus,
um Kinder aus unserer Weißenseeer Kleinkommune zu betreuen.
.
|
Als
die jetzt 22-Jährige dann den Buggywagen mit der
Nachbarstochter um den Weißen See schob, kam es
gelegentlich zu Verwechslungen.
Einmal
– das Kind hatte von einem Sturz zuhause eine
noch leicht blutige Nase – kommentierten andere
Parkbesucher dies mit einem Seitenblick auf Tabea: „Da
hat de Mutti wohl nich uffjepasst“.
|
Dabei
hatte Tabea im Frühjahr doch längst einen Studienplatz
klargemacht – nach erfolglosen Bewerbungen in Berlin
studiert sie nun auf der schönen Potsdamer Halbinsel
Hermannswerder. Dort gibt es ein Hotel, eine Kirche, eine
Mensa und die Berufsakademie der Hoffbauer-Stiftung, wo Tabea
nun mit etwa 20 MitschülerInnen Musikpädagogik in
sozialer Arbeit belegt. Denn viele Musikpädagogen haben
kaum Erfahrungen im Sozialen – und Sozialarbeiter sind
kaum musikpädagogisch geschult. Tabea wird diese Lücke
schließen können. mit Perücke…
Gezeigt hat sich auch, wozu ihre nicht immer leichten Jahre
auf der elitären Katholischen Theresienschule gut waren:
Der Eintrag im Lebenslauf überzeugte den Personalchefs
des Erzbistums. An den zwei vorgeschriebenen Tagen Praktikum
probiert sie sich an der Katholischen Grundschule St. Alfons
als Pädagogin, singt und musiziert mit den Kleinen –
und verdient zugleich die Studiengebühr.
Zwölfjähriger
mit iPhone in Litauen Das Bändigen ausfälliger Schüler
ist inbegriffen – einer musste schon eine farbig illustrierte
Entschuldigungen an Tabea schreiben, weil er sie aus Wut gekratzt
hatte.
Leander
will immer noch Tierpfleger werden. Doch er könnte
auch Verteidiger vor Gericht. Da darf man um kein Argument
verlegen sein.
Wie
er versucht, seine Interessen zu wahren, davon dürfte
auch mancher Politiker was lernen. Ein Beispiel?
Wir
haben zuhause für Leander Regeln für das Nutzen
von Bildschirmgeräten. |
|
Im Sommer lauteten die: Nicht vor 16 Uhr, erst nach Hausaufgaben
und Klavierüben.
Leander: „Papa, wer hat eigentlich die 16-Uhr-Regel
eingeführt? Mich hat da keiner gefragt. Und wir haben
hier ja Demokratie!“
(Tilman sprachlos)
Leander: „Papa?“
Tilman: „...Es waren zwei dafür, Silka und ich.“
Leander: „Als die Regel kam, da wohnte Tabea noch hier...“
Tilman: „Aha. Ja, dann frag mal Tabea.“
Zum Glück haben die Eltern Tabea beim Thema Handy-Zeit
auf ihrer Seite. Sie hoffen immer noch, dass der Siebtlässler
einen Teil seiner Diskussionsfreude mal in der Schule auslebt
statt zuhause. Von dort ist kaum Widerspruch überliefert.
Auch
Leander hat sein erstes Praktikum hinter sich: Im Herbst hatte
er dienstags acht Uhr im Kinderbauernhof der Schule den Besen
zu schwingen und Tiere zu füttern – pünktlich,
sorgfältig, zuverlässig.
Seine
Mitschüler
erfreut er am Klavier – im Musikunterricht oder
auch im WhatsApp-Klassen-Chat, wo alle über die Handys
mithören können. Er ist längst in dem Alter,
wo er vieles besser kann als die Eltern: Eislaufen, Klavierspielen,
Skateboarden.
|
Und
ganz zum Schluss: Das ist unsere Katze Clarissa. Sie
ist nach Angaben ihrer Vorbesitzerin 17 Jahre alt.
Pflegeleicht,
nett. Aber ganz schön mitteilsam. Und meistens
auch eine perfekte Einschlafhilfe für den ruhelosen
Leander.
Und
offenbar antiallergisch, wie sich bei unserem Heuschnupfenkandidaten
Tilman zeigt.
|
Gemeinsam
erinnern wir uns an vieles weitere Schöne: tolle Skiferien
mit Freunden in Spindlermühle, Silvester im Zittauer
Gebirge, diverse 50. und 75. Geburtstage, u.a. mit Singspielen,
ein Orgelbauertreffen in Schwaben, das Gummibootrennen
mit den Nachbarn auf dem Weißen See, das Mauerfalljubiläum
in Berlin.
Wir hoffen auf viele weitere nette Erlebnisse und Treffen
mit vielen von euch im begonnenen Jahr 2015!
Herzliche
Grüße aus Berlin-Weißensee/Mitte
- Silka, Tilman, Tabea und Leander
>>>...das
war 2013 !
|